NACHHALTIGKEIT // Wohl kaum ein anderes Material hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erhalten wie Plastik. Die Haltungen gegenüber Plastik sind ambivalent. Einerseits ist Plastik ein enorm praktisches Verpackungsmaterial, weil es nicht mit Lebensmitteln reagiert. Andererseits ist falsch entsorgter Plastikmüll ein globales Problem. Wege, bereits produziertes Plastik zu recyceln gibt es schon. Aber gerade einmal 9 % des jemals produzierten Plastiks sind bisher recycelt worden. Eine neue Recycling-Technologie könnte das nun verändern: Kürzlich hat das französische Unternehmen Carbios ein Enzym vorgestellt, dass den Kunststoff PET in seine Ausgangsmonomere zerlegt! Durch enzymatisches Recycling können 100 % des PET-Abfalls für die Produktion neuer PET-Waren wiederverwendet werden. Ein großer Schritt auf dem Weg zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft!
Dass der Anblick einer plastikverpackten Schale Erdbeeren einmal so viele gemischte Gefühle hervorrufen würde, hatte sich bis vor einigen Jahren noch kaum jemand vorstellen können. Der Kauf von in Plastik eingepackten Lebensmitteln fällt vielen Verbraucher*innen zunehmend schwer, vor allem da, wo es eigentlich unnötig erscheint, wie im etwa bei eingeschweißten Salatgurken. Bei Erdbeeren sieht die Sache dann schon etwas schwieriger aus. Erdbeeren sind weniger robust als Gurken. Sie werden schneller matschig und bekommen bei besonders langen Logistikanreisen schneller graue Haare, sprich sie schimmeln. Hier wirkt die Plastikverpackung wie ein Schutzschild: die Erdbeeren schützt sie vor Zerquetschungen und bösen Bakterienkulturen. Die Verbraucher*innen bewahrt sie vor der Enttäuschung, die ein Supermarktregal voller grauer, statt roter Erdbeeren mit sich bringen würde. Plastik ermöglicht den Transport von Lebensmittel über weite Strecken. Dabei geht es allerdings nicht nur um Luxusgüter wie Erdbeeren, sondern auch um wichtige Grundnahrungsmittel oder etwa Medizin. Und trotzdem, unser Verhältnis zu Plastik ist ambivalent.
Plastik stand gerade in den letzten Jahren stark in der Kritik, und das nicht ohne Grund. Vor allem die falsche Entsorgung von Plastik ist ein großes Problem. Bilder von vermüllten Stränden und Schildkröten, die durch ein Meer voller Plastiktüten schwimmen, haben sich tief in unser Gedächtnis eingebrannt und erinnern uns daran, dass wir unseren Umgang mit Plastik dringend verändern sollten. Plastik wird aus Petro-chemikalien synthetisch hergestellt und kann vom Ökosystem unserer Erde nicht verdaut werden, sprich Plastik ist nicht biologisch abbaubar, sondern fotosynthetisiert. Das heißt, es zerfällt nach und nach in immer kleinere Teile. Als sogenanntes Mikroplastik treibt es dann durch die Ozeane und gelangt in den Stoffkreislauf von Tieren, Pflanzen und Menschen. Im Fall vermüllter Meere sind die negativen Konsequenzen von falsch entsorgten Plastikabfällen leicht nachzuvollziehen. Aber auch reguläre Entsorgungsmechanismen sind problematisch. Allein in Europa werden etwa 20 Millionen Tonnen Kunststoffabfall jährlich nicht wiederverwertet, sondern landen in Müllverbrennungsanlagen. Das treibt die CO2-Emissionen weiter nach oben und lässt „Carbon Net Zero“ in weite Ferne rücken.
Eine mögliche Strategie, um mit dem Plastikmüllproblem umzugehen, ist einfach Plastik zu reduzieren. Gerade im Bereich Verpackungsmaterialen gibt es Alternativen dazu. Und allmählich scheint sich das wachsende Umweltbewusstsein der Verbraucher*innen tatsächlich auch in den Supermarktregalen abzuzeichnen. Viele Hersteller*innen bemühen sich darum, alternative Materialien wie Glas oder Zellstoffe zu verwenden. Allerdings macht Glas die Produktverpackung schwerer und Zellstoffe wie Papier und Pappe können Feuchtigkeit nur bedingt standhalten. Was die Materialeigenschaften betrifft, scheint also kaum etwas so praktisch zu sein wie Plastik: Es ist leicht, reagiert nicht mit Lebensmitteln, isoliert unsere Stromkabel, ist wasserabweisend und enorm lange haltbar, nämlich etwa 1000 Jahre. Vorausgesetzt, es wird nicht verbrannt. Hinzu kommt, dass Plastik wegen seinen vergleichsweise niedrigen Schmelztemperaturen im Herstellungsprozess beispielsweise weniger Energie als Glas oder Papier verbraucht.
Verteufeln wir Plastik also zu Unrecht? Vielleicht. Das Schlechte an Plastik ist nicht einfach, dass es zu viel davon gibt, sondern dass das Plastik, was es bereits gibt, nicht wiederverwendet wird. Plastik steckt nämlich nicht nur in Verpackungen, sondern auch in Zahnbürsten, Rührschüsseln, Smartphones, im Armaturenbrett, in Fußböden, in Polstermöbeln, in Vorhängen und in unserer Kleidung. Über die Hälfte des jemals produzierten Plastiks wurde in den letzten 20 Jahren produziert. Das ist ein riesiges Potenzial! Einfach wegwerfen, da sind sich die Expert*innen einig, ist deshalb keine langfristige Lösung. Von den insgesamt acht Milliarden Tonnen Kunststoff, die seit den 50er Jahren hergestellt wurden, sind 9 % recycelt worden.
Wege, bereits produziertes Plastik wieder in den Herstellungskreislauf einzuspeisen, gibt es schon. Bisher ist das allerdings weder einfach noch billig. Recyceltes Plastik ist im Einkauf bis zu 30 % teuer als sogenanntes Virginplastik, wie man frisch hergestelltes Plastik bezeichnet. Vielen Hersteller*innen scheint das bisher weniger lukrativ. Hinzukommt, dass es das eine Plastik außerdem nicht gibt. Plastik hat sich als gängiger Sammelbegriff für mal bunte, mal durchsichtige, mal harte und mal weiche Kunststoffgemische etabliert. Mittlerweile gibt es allerdings über 200 verschiedene Kunststoffarten, die je nach Bedarf und Produktanforderungen beliebig miteinander kombiniert werden können. Allein eine Wurst- oder Käseverpackung kann beispielsweise bis zu acht verschiedene Kunststoffarten enthalten. Das erschwert den Recyclingprozess enorm und lässt Sortieranlagen an ihre Grenzen stoßen. Die verschiedenen Kunststoffmischungen lassen sich nur schwer sauber voneinander trennen. Dies führt dazu, dass nur eine begrenzte Menge der verwendeten Kunststoffe tatsächlich wiederverwendet werden kann. Eine noch viel größere Herausforderung stellen aber Textilien dar. Für Textilien gibt es bisher weder ein Sammel- noch ein Sortiersystem. 1 % Prozent der Textilen werden aktuell recycelt, 99 % hingegen verbrannt. Eine vielversprechende Technologie verspricht nun einen Ausweg aus der Recycling-Misere.
Mithilfe eines Enzyms will der Technologie-Pionier Carbios den Lebenszyklus von PET-Kunststoffen und Textilabfällen neu erfinden. PET, ein viel verwendeter Kunststoff, der nicht nur in Lebensmittelverpackungen wie Erdbeerschalen oder Getränkeflaschen steckt, sondern auch in Textilfasern. In Vorhänge, Blusen und Schuhe eingearbeitetes PET bezeichnet man gewöhnlich als Polyester. Das künstlich hergestellte Enzym spaltet die Polymerverbindungen von PET auf und zerlegt das PET in seine Ausgangsmonomere. Innerhalb weniger Stunden können so nahezu 100 % des PETs recycelt und für die Herstellung neuer Produkte wiederverwendet werden! Erste Versuche mit Nestlé, Pepsi und L’Oréal zeigen, dass die aus dem enzymatischen Recyclingprozess hergestellten Produkte die gleiche Qualität haben: die Flaschen sehen genauso aus und sind genauso robust. Anders als bei mechanischem Recycling muss das PET nicht vollständig von den anderen Kunststoffen getrennt sein, um recycelt zu werden. Das heißt, auch wenn PET mit anderen Kunststoffen gemischt ist, funktioniert der Recyclingprozess. Das heißt allerdings nicht, dass enzymatisches Recycling prinzipiell besser ist als mechanisches. Mechanisches Recycling verbraucht beispielsweise weniger Energie als der enzymatische Recyclingprozess und ist, was den Herstellungsprozess betrifft, insofern klimafreundlicher. Optimal für die Zukunft wäre also eine Kombination, in der sich die positiven Eigenschaften beider Verfahren bestmöglich ergänzen, um das Kunstoff-Recycling zu erleichtern. Das PET-Enzym könnte insofern erst der Anfang sein.
Für seine bahnbrechende Technologie wurde Carbios im Juni vom Weltwirtschaftsforum als eine der 100 vielversprechendsten Technologien im Jahr 2021 ausgewählt. Mit seiner enzymatische Recyclingtechnologie hat Carbios als erstes Unternehmen eine industrielle Lösung für PET-Recycling vorgestellt und leistet damit nicht nur einen wichtigen Beitrag im Wandel zur Kreislaufwirtschaft. „Carbios und weitere Vordenker des Unternehmens entwickeln Technologien, die der Gesellschaft helfen können, einige ihrer dringendsten Probleme zu lösen. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag zum Engagement des Weltwirtschaftsforums, um den Zustand der Welt zu verbessern.“ (Carbios 2021, aus dem Englischen übersetzt), sagt Susan Nesbitt, Head of the Global Innovators Community, World Economic Forum.
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